Ja zur Schiene im Jahr der Schiene

2021 ist das europäische Jahr der Schiene. Gerade wir als Sozialdemokraten sollten uns explizit um den Schienenverkehr kümmern und uns als Partei der Schiene aufstellen.

Fordern tun viele, doch fast immer sind es nur leere Floskeln: “Mehr Güter auf die Schiene!”, “Weniger Auto, mehr Zug!”. Konkrete Vorschläge oder Pläne, wie man diese Ziele erreichen will, sucht man jedoch vergebens. Wie jeder gute Eisenbahner weiß: “Ohne Fahrplan wird’s nichts”.

Die Privatisierung der deutschen Eisenbahn sehen wir als gescheitert an und fordern daher eine größere Aufgabenübernahme des Staats. Dafür ist es jedoch notwendig, dass der Bund sich erstmals richtig mit seiner eigenen Eisenbahn beschäftigt, statt von dieser außer Dividenden nichts zu erwarten und keine eigenen Kontrolle zu übernehmen. Wir sind der Meinung, dass man die Eisenbahn als Grundversorgung und nicht als Profitunternehmen ansehen sollte.

Gerade durch die Corona-Pandemie wurden die Schwachstellen von durchprivatisierten Eisenbahnsystemen erkenntlich. Großbritannien, dass seit jeher als Negativbeispiel für Hyperprivatisierung steht, verwirft nun komplett das alte Vergabesystem und stellt vorübergehend alle Verkehrsanbieter unter staatliche Kontrolle, da ein Zusammenbruch des Bahnbetriebs wegen fehlender Einnahmen drohte.

Wir fordern deshalb, dass der Schienenpersonennah- und fernverkehr ausschließlich von Unternehmen betrieben wird, die in der Hand der Allgemeinheit sind und kein Profitmotiv haben. Sonderverkehre oder der Eigenbetrieb bleiben davon ausgenommen.

Wir stehen zu einem einheitlichen DB-Konzern und stellen uns offen gegen eine Zerschlagung. Der Konzern muss sich in seiner Organisation jedoch massiv vereinfachen und verschlanken (momentan ca. 600 Unternehmen) und sollte sich mehr auf das deutsche Kerngeschäft kümmern.

Unser größtes und wichtigstes Ziel sollte die Verlagerung von Gütern auf die Schiene sein. Auch hier werden nur große Reden geschwungen, während die Taten mau ausfallen. Die Bahn macht im Güterverkehr nur 19% des Modal-Split aus; der LKW bleibt mit 71% unangefochten. Dabei ist die Bahn umweltfreundlicher, energieeffizienter und sicherer als der LKW.

Neben den unten genannten Streckenausbauten müssen auch genügend Orte zum zuliefern und abholen der transportierten Waren zu Verfügung stehen. Je direkter der Weg von/zum Kunden, desto besser. Die beste Lösung wäre ein direkter Anschluss an das Bahnnetz. Im Gegensatz zum Straßenanschluss muss dieser jedoch vom Anzuschließenden selber mit mindestens 50% Eigenfinanzierung mitgetragen werden. Hier wären höhere Subventionen angebracht. Wo sich ein Anschluss wegen Größe, Lage oder Transportvolumen des Abnehmers nicht lohnt, sind regionale Güterbahnhöfe mit öffentlichen Ladestellen nötig. Früher hatte beinahe jeder Bahnhof mindestens ein Ladegleis für Güter. Heutzutage müssen oftmals längere Wege zum nächsten Güter-/Rangierbahnhof zurückgelegt werden. Im Endeffekt soll die Ware nur noch dann auf einem LKW transportiert werden, wenn es vom Bahnhof zum Ziel geht.

Ein großes Problem auf den deutschen Fernstraßen stellt der Transitverkehr dar. Entlang der Hauptrouten sollen vertaktete Züge der rollenden Landstraße (RoLa) eingesetzt werden mit jeweiligen Verladestationen an den Landesgrenzen.

Die oben genannten Maßnahmen schaffen zwar eine guten Schienengüterverkehr, jedoch wäre der Transport per LKW weiterhin einfacher und billiger. Deshalb muss der Straßenverkehr unattraktiv gemacht werden. Es soll ein generelles Nachtfahrverbot für LKW zwischen 22 bis 5 Uhr geben und die Mautgebühren müssen in angehoben werden.

Zudem sollen weitere Mittel in die Erforschung neuer Technologien zur Lautstärkeminderung bei Güterwagen gesteckt werden.

Im Personenverkehr gilt es auch, die Signale von Langsamfahrt auf freie Fahrt zu stellen. In letzter Zeit erfahren vor allem Nachtzüge mit Schlafwagen ein Comeback, wobei die DB weiterhin keine eigenen Leistungen anbieten möchte und vom Bund bisher keinerlei Druck kommt. Mit dem Autozug gibt es zudem eine weitere ehemalige Zuggattung, deren Konzept eigentlich noch immer zeitgemäß ist. Besonders im europäischen Urlaubsverkehr könnte diese beiden ein großes verstecktes Potenzial haben. Generell sollte der europäische Schienenpersonenfernverkehr integrativer und kooperativer gestaltet werden.

Auf nationaler Ebene müssen endlich sämtliche Großstädte an das Fernverkehrsnetz angeschlossen werden, sowie die Preise erschwinglich werden. Durch das wegfallen des Profitmotivs, sowie Entlastungen bei Energiesteuer und EEG-Umlagen, bei denen die Eisenbahn Spitzenzahler ist, können zur Senkung der Ticketpreise beisteuern. Dazu ist es wichtig auch im Personenverkehr bessere Wettbewerbsbedingungen herzustellen, bspw. durch die Einführung einer Maut für Fernbusse.

Wichtigste Grundlage zum Erreichen eines guten Eisenbahnbetriebs ist die Infrastruktur. Wer mehr Züge fahren lassen will, muss auch mehr Gleise bereitstellen. Andernfalls braucht man sich nicht zu wundern, warum der eigene ICE mit 100 km/h einem 2000-Tonnen-Güterzug hinterherfährt, der erst im 20 km entfernten Bahnhof überholt werden kann (sofern es dort überhaupt ausreichend Gleise gibt).

Unser einst rühmliches Eisenbahnnetz schrumpft immer weiter; auch jetzt noch. Und das trotz der Forderung nach mehr Bahn! Nebenbahnen werden stillgelegt, Anschlüsse werden nicht mehr beliefert, Weichen verschwinden. Seit 1995 ist das deutsche Schienennetz um ca. 15% geschrumpft. Eigentlich müsste es umgekehrt sein.

Für den Anfang muss der Ausbau von Bestandsinfrastruktur Priorität haben, danach der Neubau. Eingleisige Hauptbahnen mit hohem Verkehrsaufkommen müssen konsequent zweigleisig werden. Bahnhöfe brauchen Gleise in ausreichender Anzahl und Länge, um den Gelegenheitsverkehr und Abweichungen vom Regelbetrieb adäquat handhaben zu können; zudem können neue Weichen oder verschobene Signale den Fahrstraßenausschluss reduzieren und den Betrieb beschleunigen. Die Leit- und Sicherungstechnik muss modernisiert werden. Besonders langsame, in die Jahre gekommene Stellwerkstechniken (mechanisch, elektromechanisch, Dr S 2, etc.) sollen durch digitale Stellwerke ersetzt werden.

Ehemalige Bahnstrecken müssen reaktiviert werden. Je mehr des alten Bestands noch vorhanden ist, umso einfacher und kostengünstiger gestaltet sich das Vorhaben. Viele als unrentabel deklarierte Nebenbahnen, die von Zweckgemeinschaften wieder in Betrieb genommen wurden, konnten in den letzten Jahrzehnten ihre Fahrgastzahlen steigern und damit den Wert kleinerer Strecken beweisen (bspw. Schönbuchbahn (+300%) oder Regiobahn (+4412%)).

Neben dem Ausbau von Gleisen muss auch die Elektrifizierung vorangetrieben werden. 2020 lang der bundesdeutsche Elektrifizierungsdurchschnitt bei mickrigen 61% (der Zuwachs lag in den letzten 10 Jahren bei 2%), in Baden-Württemberg bei 63%. Auch hier soll der Ausbau von Hauptbahnen Priorität haben, im Besonderen der Schluss von Elektrifizierungslücken.

Neben dem Ausbau von Bestandsstrecken müssen auch Neue für das Netz geplant werden. Ortschaften, die bisher nur schlechten Zugang zum Bahnverkehr haben, sollen mit neuen Strecken angebunden werden. Schnellfahr- und Ausbaustrecken sorgen mit der Trennung von Hochgeschwindigkeitsverkehr und Regional-/Güterverkehr für Entspannung im Bestandsnetz. Entlang wichtiger Transitrouten (z.B. Autobahnen) sollen neue Strecken die hauptsächlich dem Güterverkehr dienen entstehen, deren Verlauf nah den Autobahnen folgen soll. Generell entlasten weitere Strecken das Gesamtnetz und bieten schnellere und leistungsfähigere Ausweichrouten bei Störungen und Streckensperrungen.

Um ein positives Vorbild für andere zu sein, sollen Gebäude der Eisenbahn (bspw. Bahnsteigüberdachungen) begrünt oder mit Solarzellen ausgestattet sein.

Um den Ausbau voran zu treiben, müssen wir mehr in den Ausbau und Erhalt der Eisenbahninfrastruktur investieren. Momentan liegt unsere Pro-Kopf-Investition in Deutschland bei 76€ (zum Vergleich: Österreich 226€, Schweiz 404€, Luxemburg 448€). Damit einhergehend sollen die Mittel zum Neubau von Bundesfernstraße gesenkt werden.