Duale Berufsausbildung fit für die Zukunft machen

Adressat: SPD Landesparteitag/Landesdelegiertenkonferenz Baden-Württemberg, Juso Bundeskongress, SPD Bundesparteitag

Antrag:

Berufsausbildung in Deutschland ist vielfältig. Es gibt Ausbildungen in wirtschaftlichen Bereichen wie Drogistinnen, Industrieunternehmen bilden in technischen Berufen Industriemechanikerinnen und in IT-Bereichen Fachinformatiker aus. Handwerksbetriebe ermöglichen der Bäckerin, soziale Einrichtungen dem Altenpfleger einen Einstieg in das Berufsleben. Wir haben seltene Ausbildungsberufe wie Milchtechnologinnen, Fischwirte und Hörgeräteakustikerinnen. 

Alle 327 in Deutschland anerkannten Ausbildungsberufe stehen vor großen Herausforderungen. Mehr junge Menschen ziehen ein Studium einer Ausbildung vor, weniger Betriebe bilden selbst aus und die duale Ausbildung wird weiter akademisiert. Auf der anderen Seite haben auch Auszubildende berechtigte Forderungen, sie wünschen sich beispielsweise qualifiziertes Ausbildungspersonal, eine faire Ausbildungsvergütung und flexible Ausbildungszeiten. Ebenso bringen die Veränderungen im Arbeitsleben durch die Digitalisierung neue Herausforderungen für eine gute Ausbildung mit sich.

Wir Jusos haben deshalb Forderungen, wie die Qualität der Ausbildung verbessert werden, wie duale Studiengänge als betriebliche Ausbildung anerkannt werden sollen und wie das duale System der Berufsausbildung in Deutschland eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz und Wahrnehmung erhält.

Zukunftsorientiertes Ausbildungspersonal

Einer der wichtigsten Aspekte innerhalb der Ausbildung ist die Zukunftsorientierung. Viele Auszubildende lernen im Rahmen ihrer betrieblichen Ausbildung an Maschinen aus dem letzten Jahrtausend. Neben der fehlenden technischen Ausstattung sind auch AusbilderInnen nicht immer ausreichend qualifiziert. In den Betrieben muss das Ausbildungspersonal auf die Inhalte vorbereiten, die die Auszubildenden für einen zukunftsorientierten Abschluss benötigen. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass wir in 2030 noch Fachkräfte für die anfallende Arbeit haben.

Wir fordern daher:

  • Die AusbilderInnen müssen sich in den Betrieben mit Angeboten über die Kammern und die Sozialpartner konsequent weiterbilden, um auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet zu sein.

Dieser Aspekt ist allerdings nicht nur im Betrieb wichtig. In Baden-Württemberg wurde durch das damals SPD-geführte Wirtschaftsministerium die Initiative „Lernfabrik 4.0“ an Berufsschulen gestartet. Mit dem gezielten Programm sollen jungen Menschen auf das Themenfeld Industrie 4.0 vorbereitet werden. Mittlerweile werden die ersten Maschinen in Berufsschulen aufgebaut. Damit ist es allerdings nicht getan. Die Lehrkräfte müssen wissen, wie die Maschinen zu bedienen sind und wie eine vernetzte Fertigung im Unterricht Auszubildenden vermitteltet werden kann. Die Lehrkräfte haben bisher allerdings zu wenig Zeit und Unterstützung, um diese wichtigen Themen für die Zukunft junger Menschen vorzubereiten und anschließend zu vermitteln.

Wir fordern daher:

  • Das Kultusministerium Baden-Württemberg muss Lehrkräften ausreichend Zeit und Materialien zur Verfügung stellen, damit SchülerInnen und Auszubildenden diese wichtigen Themen vermittelt werden können.

Moderne und kostenfreie Ausbildungsmittel

Gute Bildung darf nicht vom eigenen Einkommen abhängen. Daher ist in den Landesverfassungen die Lehrmittelfreiheit für Berufsschulen geregelt. Weiterhin regelt das Berufsbildungsgesetz die Kostenübernahme von Lehrmitteln durch die Ausbildenden. In Schulen werden häufig nur veraltete Bücher angeboten, und in Betrieben werden bei Weitem nicht alle benötigten Ausbildungsmittel bereitgestellt. Dual Studierende und Auszubildende müssen daher große Summen für Bücher oder Skripte aufwenden, um effektiv am Unterricht teilzunehmen. 

Wir fordern daher:

  • Eine klare Regelung zur Übernahme der Kosten für alle notwendigen Ausbildungsmittel und moderne Geräte, die im Rahmen einer Berufsausbildung benötigt werden. Diese Kosten sind durch die ArbeitgeberInnen einerseits und das Land andererseits zu tragen.

Faire Zeiten für eine qualifizierte Ausbildung

Auszubildende besuchen zum erfolgreichen Erreichen des Ausbildungsziels die Berufsschule. Dafür müssen sie vom Arbeitgeber freigestellt werden. Im Jugendarbeitsschutzgesetz ist die Anerkennung der Berufsschulzeit als Ausbildungszeit geregelt, wenn die Schule mindestens 5 Schulstunden dauert. Das Gesetz gilt allerdings nur für minderjährige Auszubildende. Außerdem ermöglicht es Ausbildungsbetrieben einen Gestaltungsspielraum, wodurch manche Auszubildende die Berufsschule in ihrer Freizeit besuchen müssen.

Wir fordern daher:

  • Es muss gesetzlich sichergestellt werden: Berufsschulzeit ist Ausbildungszeit. Die Zeiten sind für uns dabei unter anderem: Wegezeiten, Schulunterricht und Pausen in der Berufsschule.
  • Alle Auszubildenden müssen bei den Zeiten der schulischen Ausbildung gleichgestellt werden. Dazu sollen die Zeiten der schulischen Ausbildung für alle Auszubildende, unabhängig vom Alter, voll auf die Ausbildungszeit angerechnet werden.
  • Für alle Auszubildenden müssen die Zeiten der schulischen Ausbildung, unabhängig von der Bestimmung der regelmäßigen Lage der Ausbildung durch Ausbildende, voll auf die Ausbildungszeit angerechnet werden.

Über die Inhalte in diesen Zeiten in der Berufsschule und über die absolvierte betriebliche Ausbildung werden Nachweise geführt. Bisher ist das Führen der Ausbildungsnachweise, gemeinhin als Berichtsheft bezeichnet, in den einzelnen Ausbildungsordnungen geregelt. Da jede Ausbildungsordnung in Deutschland unterschiedlich ist, sind auch die Regelungen zu Ausbildungsnachweisen verschieden. In den Mustern für Ausbildungsordnungen sind Hinweise enthalten, dass ein Ausbildungsnachweis zu führen ist. Die Nachweise sind für Auszubildende allerdings nicht weitreichend genug, um damit ihre absolvierte Berufsausbildung nachzuweisen.

Wir fordern daher:

  • Eine einheitliche Aufnahme der Ausbildungsnachweise in das Berufsbildungsgesetz beziehungsweise in die Handwerksordnung. Dort ist mit der eindeutigen Formulierung einerseits die Form klarzustellen, andererseits muss dadurch geregelt werden, dass sie während der Ausbildungszeit zu erstellen sind. 

Ausbildende sind Ausbildende – Verpflichtende Qualifikation für Ausbildungspersonal
AusbilderInnen in Deutschland müssen für diese Tätigkeit geeignet sein. Im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und in der Handwerksordnung (HWO) sind daher Anforderungen an das Ausbildungspersonal geregelt. Es ist vorgeschrieben, dass AusbilderInnen persönlich, fachlich und arbeitspädagogisch geeignet sein müssen. Es fehlt bisher eine gesetzliche Definition dazu, wie die arbeitspädagogische Eignung aussieht und wie diese nachgewiesen wird. Weiterhin gibt es keine Regelung zur Betreuungsquote zwischen Ausbildenden und Auszubildenden. Nur mit klaren Vorgaben kann eine gute Ausbildung sichergestellt werden. 

Wir fordern deshalb: 

  • Verpflichtende arbeitspädagogische Unterweisungen für Ausbildungspersonal, unabhängig davon, ob haupt- oder nebenberufliche ausgebildet wird. Für nebenberufliche AusbilderInnen muss ein „kleiner AdA-Schein“ geschaffen werden. 
  • Einen festen Schlüssel zwischen Ausbildenden und Auszubildenden, um eine gute Qualifikation von Auszubildenden sicherzustellen. Die genaue Quote soll vom Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung nach Ausbildungsberuf festgelegt werden, in welchem ArbeitgeberInnen, Gewerkschaften, Bund und Land gleichermaßen vertreten sind. Die Überwachung der ausreichenden Betreuung ist Aufgabe der Kammern. Diese müssen hierzu das nötige Personal stellen, welches wiederum durch die Berufsausbildungsausschüsse überwacht wird. 

Gute Ausbildung braucht klare Regeln

In Gesundheits- und Pflegeberufen haben wir einen großen Fachkräftemangel. Eine Besserstellung dieser Ausbildungsberufe und eine damit verbundene Aufwertung und Qualitätsverbesserung sowie Vereinheitlichung der Regelungen würde die Attraktivität dieser Berufszweige wieder deutlich erhöhen. In einer Gesellschaft mit einem größer werdenden Dienstleistungssektor und zunehmenden Anzahl an älteren Menschen ist das für uns nur konsequent.

Wir fordern deshalb: 

  • Die Gesundheits- und Pflegeberufe ins Berufsbildungsgesetz aufzunehmen. 
  • Derzeit sind in vielen dieser Berufe der praktische und theoretische Teil voneinander getrennt, sodass es Übergangsmodelle geben muss, die das duale Ausbildungssystem nach und nach etablieren.

In Deutschland werden viele und vor allem sehr unterschiedliche Formen von praxisnahen Studiengängen als „duales Studium“ bezeichnet. Junge Menschen, die ein duales Studium beginnen, haben unterschiedliche Zeiten an denen sie an der Hochschule studieren und Zeiten, in denen sie in Betrieben und Einrichtungen praxisnahe Erfahrungen sammeln können. Bei manchen dieser Kooperationen sind die Studierenden gleichzeitig Auszubildende, die am Ende einen Ausbildungsabschluss und einen Studienabschluss erlangen. Es fehlen allerdings einheitliche Regelungen zu diesen Formen der Kooperation zwischen Hochschule, Betrieb und Berufsschule und gesetzliche Regelungen zum Status der jungen Menschen.

Wir fordern deshalb: 

  • Im Berufsbildungsgesetz/In der Handwerksordnung muss der Status von dual Studierenden geregelt werden. Nur dadurch erhalten diese jungen Menschen denselben Anspruch auf Lernmittel und qualifiziertes Ausbildungspersonal. 
  • In der Kultusministerkonferenz müssen sich die unterschiedlichen Länder auf klare Eckpunkte für ein duales Studium einigen. Es muss sichergestellt werden, dass in unterschiedlichen Bundesländern die gleichen Inhalte im gleichen Studiengang bearbeitet werden, und Verknüpfungen zwischen Theorie und Praxis im dualen Studium stattfinden. Nur dadurch kann das duale Studium denselben Vorbildcharakter wie das System der dualen Berufsausbildung einnehmen. 

Ausbildung als Einstiegsperspektive

Viele junge Menschen fühlen sich nach dem Abitur dazu gezwungen, ein Studium zu beginnen. Das liegt vor allem an den Befürchtungen späterer Einbußen in der beruflichen Karriere. Außerdem fehlt in der Gesellschaft eine Akzeptanz für die Aufnahme einer Ausbildung nach dem Abitur. Daher muss vor allem bei Schulen damit begonnen werden, wieder stärker über die vielfältigen Möglichkeiten der dualen Ausbildung in Deutschland zu informieren. 

Im Studium wechseln Studierende häufig das Studienfach, ohne sich über die Möglichkeiten einer (dualen) Ausbildung nach dem Abbruch des Studiums zu informieren. Während die Durchlässigkeit nach einer Ausbildung ein Studium aufzunehmen vorhanden ist, fehlen klare Möglichkeiten in der anderen Richtung. Viele AbbrecherInnen eines Studiums vermissen einen praktischen Anteil, welcher bei der Ausbildung vorhanden ist. Studierende, die über einen Abbruch nachdenken, müssen deshalb gezielt Informationen zu Ausbildungsgängen und den dortigen Einstiegsmöglichkeiten erhalten. Das kann durch eine klare Informationspolitik an den Universitäten und Hochschulen sichergestellt werden.

Wir fordern deshalb: 

  • Klare Kommunikationskonzepte für Schulen. Neben dem jährlichen Studieninformationstag an Gymnasien muss es einen Ausbildungsinformationstag geben. An diesem sollen SchülerInnen einen Überblick über Ausbildungsberufe und mögliche Fortbildungen uns spätere Arbeitsmöglichkeiten erhalten. 
  • Kooperationen zwischen Zentralen Studienberatungen und Ausbildungsbörsen der Bundesagentur für Arbeit. Die Studienberatungen müssen sich öffnen und klarer benennen, welche Möglichkeiten eine Ausbildung in Deutschland bietet. An Hochschulen mit besonders vielen StudienabbrecherInnen soll die Bundesagentur für Arbeit gesonderte Informationsangebote bereitstellen. 

 Auch junge Menschen mit Beeinträchtigungen haben eine Chance verdient und damit ein Anrecht auf einen Anstieg in die Berufsausbildung. Für Beschäftigte gibt es in der Sozialgesetzgebung klare Regelungen, um Arbeitsplätze mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu besetzen. Diese verpflichtenden Regelungen gelten allerdings nicht für die Berufsausbildung. Für uns ist die Berufsausbildung der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Um inklusive Ansätze in der beruflichen Bildung zu verbessern, muss hierzu die gesetzliche Lage verbessert werden.

Wir fordern deshalb:

  • Eine Quote für Inklusionsstellen in der Berufsausbildung. Diese Quote soll sich an der für Beschäftigte orientieren.
  • Gleichzeitig muss die Ausgleichsabgabe so erhöht werden, dass zu wenige Auszubildende mit Beeinträchtigungen mit einer erhöhten Abgabe belegt sind. Dadurch soll die Ausbildung schwerbehinderter Menschen gefördert werden.

Nur mit diesen Forderungen kann die duale Berufsausbildung in Deutschland offen für alle sein, eine hohe Qualität sicherstellen und fit für die Zukunft gemacht werden.

Begründung: erfolgt mündlich