Dublin-Fälle auf Entlastungskontingente anrechnen

Adressat: Juso-Landesdelegiertenkonferenz, Juso-Bundesdelegiertenkonferenz, SPD Bundesparteitag, SPD Fraktion im Deutschen Bundestag

Die Jusos Baden-Württemberg fordern die Bundesregierung auf, die bisherige Abschiebepraxis nach der Dublin-III Verordnung zu überdenken. Wir Jusos setzten uns in der SPD für eine sachorientierte Neuregelung ein: Flüchtlinge, die einen inhaltlich begrünbaren Asylantrag lediglich aufgrund der Dublin-Verordnung nicht in Deutschland stellen durften, wollen wir rückwirkend in die Verfahrensprüfung mit aufnehmen. Diese bereits in Deutschland lebenden Asylbewerber sollen dazu, im Falle einer positiven Einzelfallentscheidung, mit der am 22. September 2015 vom Rat der Europäischen Union beschlossenen, einmaligen Übernahmequote für neuankommende Flüchtlinge in Italien und Griechenland verrechnet werden.

Begründung:

Unabhängig von der laufenden Debatte über eine feste EU-weite Quote bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat der Rat der Europäischen Union am 22. September 2015 bereits mit qualifizierter Mehrheit beschlossen, auf freiwilliger Basis einmalig 120.000 Asylsuchende aus Italien und Griechenland in die zustimmenden Staaten umzusiedeln. Deutschland hatte erklärt, davon etwa ein Viertel, also ca. 48.000 Menschen aufzunehmen. Die Umsetzung dieser Vereinbarung läuft schleppend. Gleichzeitig befinden sich in der Bundesrepublik viele Menschen in Asylunterkünften, die aufgrund der Dublin-Verordnung ihren Asylantrag eigentlich in Italien oder Griechenland stellen müssten. Viele dieser „Dublin-Fälle“ sind bereits länger in Deutschland, lernen unsere Sprache und bemühen sich trotz juristisch aussichtloser Perspektive um die Integration in ihre jetzigen Wohnorte. In den vergangenen Monaten wurden die Abschiebungen exakt dieser Gruppen,  vor allem nach Italien, ausgeweitet. Italien ist allerdings nicht bereit diese Menschen wieder aufzunehmen. Das bereits überforderte, minimalistische Asylsystem dort kann die abgeschobenen Asylsuchenden nicht versorgen. Viele der Betroffenen, auch aus unserem Landkreis, leb(t)en dort in der Obdachlosigkeit. Die meisten kehrten deshalb nach kurzer Zeit wieder nach Deutschland zurück, wo ihnen nach der geltenden Rechtsgrundlage erneut die Abschiebung droht. Diesen menschlichen Verschiebebahnhof halten wir für moralisch verwerflich. Er ergibt insbesondere angesichts der fehlenden Aufnahmebereitschaft- und Fähigkeit in Italien aber auch praktisch keinen Sinn. Welchen Wert hat es, Italien eigentlich entlasten zu wollen – dann aber wieder „Altfälle“ zurück nach Italien zu schicken? Das erscheint uns angesichts der Tatsache, dass die meisten betroffenen Flüchtlinge in einer Zeit nach Deutschland kamen, in der die Dublin-Verordnung praktisch außer Kraft gesetzt war, umso zweifelhafter. Von Ende August bis Anfang November 2015 war die Dublin-Verordnung für syrische Flüchtlinge sogar offiziell ausgesetzt gewesen. Mit dem im Beschluss vorgeschlagenen Verfahren könnte zumindest für die bereits in Deutschland befindlichen Asylsuchende eine klare Perspektive geschaffen werden und gleichzeitig durch eine Umsetzung des einmaligen Entlastungskontingentes ein Beitrag zur europäischen Solidarität geleistet werden.