Gründung eines Weiterbildungsfonds im Rahmen der Arbeitslosenversicherung des SGB III

Adressat: Juso-Landesdelegiertenkonferenz, Juso-Bundesdelegiertenkonferenz, SPD Bundesparteitag, SPD Fraktion im Deutschen Bundestag

Der SPD Bundesparteitag möge die SPD-Bundestagsfraktion und das SPD geführte Arbeitsministerium mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs zur Erweiterung der Arbeitslosenversicherung des Sozialgesetzbuches III um einen zweckgebundenen Weiterbildungsfonds zur arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Übergangsrisiken im Lebenslauf beauftragen.

Zur Finanzierung soll ein Teil des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung verwendet werden, der zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebracht wird. Arbeitnehmer erhalten zudem, gestaffelt nach der Höhe ihres Einkommens, einen steuerlichen Zuschuss. In Krisenzeiten werden zur Überbrückung konjunktureller Schwankungen, in Anlehnung an das bestehende Instrument des Kurzarbeitergeldes, weitere Steuermittel zur Unterstützung und Ausweitung der Weiterbildungsbemühungen zur Verfügung gestellt.

Jeder Arbeitnehmer erhält ein individuelles Ziehungsrecht zur Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Weiterbildungsfond. Dazu gehört insbesondere ein Unterhaltsgeld, das es Beschäftigten ermöglicht ohne größere finanzielle Nachteile eine Weiterbildung zu absolvieren.

Anspruchsvoraussetzung ist der Nachweis eines Versicherungszeitraums in der Arbeitslosenversicherung von 12 Monaten, eine vorhergehende Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit und die Abstimmung der Weiterbildungspläne mit dem Arbeitgeber, wobei der Betriebsrat zu beteiligen ist. Dazu können Beschäftigte in regelmäßigen Zeiträumen ihre Kompetenzen und gegebenenfalls Qualifikationsdefizite durch entsprechend zertifizierte Institutionen feststellen lassen.

Flankiert wird der Weiterbildungsfonds durch gesetzliche Regelungen in Bezug auf ein Freistellungs- und Rückkehrrecht für Beschäftigte während einer Weiterbildung.

Begründung:

Im SPD-Regierungsprogramm aus dem Jahr 2009 gibt es, im Rahmen des Konzepts einer neuer Arbeitsversicherung, bereits entsprechende Ansätze zur Einrichtung eines Weiterbildungsfonds sowie flankierende Maßnahmen, wie die Verbesserung der Weiterbildungsberatung und ein Freistellungsrecht für Beschäftigte während einer Weiterbildung.[1]

Ein Weiterbildungsfonds gibt Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Gewissheit planbarer Leistungen. Durch die allgemeine Beitragspflicht wird eine vertikale Umverteilung gewährleistet, die insbesondere junge Menschen im Beginn ihres Arbeitslebens begünstigt, wenn noch kaum Eigenkapital vorhanden ist. Zudem findet eine horizontale Umverteilung hin zu gering qualifizierten Arbeitnehmern statt, die einen größeren Qualifikationsbedarf haben und durch Weiterbildung spätere Erwerbsrisiken, mit denen die Sozialversicherungen belastet werden, reduzieren können.

Der Weiterbildungsfonds steht zudem im Einklang mit den bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen des SGB III die ausdrücklich von „Beiträgen zur Arbeitsförderung“[2] sprechen und ergänzt die aktive Arbeitsmarktpolitik, die meist erst bei Eintritt der Arbeitslosigkeit greift.

Mit der Einrichtung eines Weiterbildungsfonds werden Beschäftigte zu stärker selbstbestimmten Investitionen in ihre berufliche Fortbildung befähigt. Auch trägt ein solcher Fonds der Notwendigkeit und wachsende Bedeutung der beruflichen Weiterbildung Rechnung[3], insbesondere unter dem Aspekt des Fachkräftemangels und unter Berücksichtigung einer sinkenden Nachfrage nach Geringqualifizierten[4].

Gleichzeitig wird ein Anreiz für Unternehmen geschaffen, mehr in Weiterbildung zu investieren. In Hinblick auf eine steigende Nachfrage nach gut qualifizierten Arbeitnehmern und einer längeren Lebensarbeitszeit müssen die Fähigkeiten und Kenntnisse vieler gut ausgebildeter Arbeitnehmer aktualisiert und erneuert werden, wenn sie bis zum verlängerten Renteneintrittsalter beschäftigungsfähig bleiben sollen. Die Rentenreformen der letzten Jahre müssen durch eine aktive Qualifizierungspolitik unterfüttert werden.

In vielen europäischen Nachbarstaaten existieren derartige Strukturen bereits. So müssen beispielsweise in Frankreich Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten 1,6 Prozent der Bruttolohnsumme für Weiterbildung aufwenden.[5] Um dem paritätischen Deutschen System Rechnung zu tragen und sowohl die Arbeitgeber teilhaben zu lassen, als auch die Arbeitnehmer an ihrer Berufsplanung zu beteiligen, ist eine Finanzierung zu gleichen Teilen die beste Lösung. Gleichzeitig kann der Fonds dazu beitragen, dass die Weiterbildungsbereitschaft nicht schon ab dem 40. Lebensjahr deutlich zurückgeht[6].

Während konjunktureller Krisen ermöglicht es ein Weiterbildungsfonds Arbeitnehmern außerdem Zeiten der Kurzarbeit oder drohender Arbeitslosigkeit sinnvoll zu nutzen. Davon profitieren in gleichem Maße die Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter halten und qualifizieren können und bei einem späteren Aufschwung langwierige Anlernphasen und kostenintensive Rekrutierungsprozesse vermeiden.


[1] SPD Parteivorstand 26.06.2009, „Das Regierungsprogramm der SPD“, Artikel-Nr. 3901525, S. 35 Absatz „Sicherung des Fachkräftebedarfs“ und S. 36 Absatz „Die Arbeitslosenversicherung wird zur Arbeitsversicherung“

[2] §340 SGB III

[3] Kistler, Ernst: Gute Arbeit und lebenslanges Lernen – das Versagen der Weiterbildung in Deutschland. Bonn 2010, Abteilung Wirtschafts und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, http://library.fes.de/pdf-fi les/wiso/07147.pdf

[4] Gerhard Borsch (12/2010), „In Qualifizierung investieren – ein Weiterbildungsfonds für Deutschland“, Abbildung 5, S. 17

[5] ebd., Abbildung 5, S. 21

[6] ebd., Abbildung 5, S. 13